Die Wirkung von Cannabis gegen Schmerzen ist klinisch evident, aber gleichzeitig für viele Indikationen noch weitgehend unerforscht.
Medizinisches Cannabis hat in der Medizin viele Einsatzgebiete, die wichtigste Indikation sind Schmerzen. Die Art und Ursache der Schmerzen entscheidet darüber, welche Cannabis-Produkte am wirkungsvollsten sin
Wie wirkt Cannabis gegen Schmerzen?
Die pharmakologisch aktiven Substanzen im Cannabis nehmen Einfluss auf die für das Schmerzempfinden verantwortlichen Rezeptoren im zentralen Nervensystem. Dadurch wird die Freisetzung von Neurotransmittern gehemmt und Schmerz-Informationen können nicht unter den Nervenzellen weitergegeben werden.
Schmerzen sind die vielleicht wichtigste Indikation für eine Cannabis-Therapie. zencan gibt Antworten auf wichtige Fragen:
- Wie wirkt Cannabis gegen Schmerzen?
- Welche Cannabisprodukte gegen Schmerzen gibt es?
- Was ist wirkungsvoller – THC-haltiges medizinisches Cannabis vs. CBD in Reinform?
- Welche anderen Krankheitsbilder können mit Cannabis behandelt werden?
- Welche Cannabis-Nebenwirkungen gibt es?
- Wie ist die Cannabis-Rechtslage in Deutschland?
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Cannabis gegen Schmerzen: Wirksame Cannabinoide
Cannabis gegen Schmerzen ist im Idealfall immer eine individuell angepasste Therapie. Das gelingt immer besser, weil nach vielen Jahren mit sehr überschaubarer Studienlage neue Forschungsergebnisse vorliegen, die den Zusammenhang zwischen Hanfpflanze und Schmerz besser verstehen lassen. Fest steht definitiv: Die medizinisch interessantesten Wirkstoffe sind die in den Blüten und blütennahen Blättern enthaltenen Cannabinoide.
Mehr als 100 verschiedene Cannabinoide wurden bisher im Cannabis gefunden. Sie sind entscheidend für die Cannabis-Wirkung. Zu den bekanntesten gehören dabei Cannabidiol (CBD) und Tetrahydrocannabinol (THC). CBD wirkt unter anderem antikonvulsiv (entkrampfend), neuroprotektiv (Nervenzellen schützend) und antioxidativ (gegen Oxidation wirkend). THC werden unter anderem antiemetische (Brechreiz mindernd), appetitstimulierende, schmerzlindernde, entzündungshemmende und muskelentspannende Wirkungen zugeschrieben.
Schmerztherapie mit Cannabis: von Arthrose bis Spannungskopfschmerz
Von 2007 bis 2016 erhielt ein kleiner Patientenkreis von der Bundesopiumstelle Ausnahmegenehmigungen, um Hanfpflanzen legal zuhause zu ziehen und so eine ärztlich begleitete Selbsttherapie mit Cannabisblüten umzusetzen. Die erteilten Genehmigungen dokumentieren gut das breite Anwendungsspektrum von Cannabis gegen Schmerzen und bei anderen Krankheitsbildern: Die Patienten litten an mehr als 50 verschiedenen Erkrankungen oder Symptomen. Nicht immer wurde das Cannabis gegen Schmerzen eingesetzt – aber häufig. Patienten, die eine Schmerztherapie mit Cannabis erhielten, litten an:
- Arthritis – Entzündung eines Gelenks
- Arthrose – Schädigung des Gelenkknorpels
- Clusterkopfschmerz – starke einseitige Kopfschmerzen an der Schläfe oder um die Augen
- Colitis ulzerosa – CED, chronisch-entzündliche Darmerkrankung
- Fibromyalgie – auch Fibromyalgiesyndrom genannt. Chronische Schmerzerkrankung, die sich durch Schmerzen in verschiedenen Körperregionen äußert
- Hyperalgesie – erhöhte Schmerzempfindlichkeit
- Menstruationsbeschwerden
- Migräne – anfallsartiger, in unregelmäßigen Abständen wiederkehrender Kopfschmerz
- Neuralgien – Nervenschmerzen
- Parästhesien – Missempfindungen wie Taubheit, Kribbeln, Brennen oder Stechen bei Diabetes mellitus oder Aids
- Restless-Legs-Syndrom – chronische neurologische Erkrankung mit intensiv-unangenehmem Bewegungsdrang meist in den Beinen
- Schmerzen bei hypertoner Muskulatur und Spasmen
- Spannungskopfschmerz
- Phantomschmerzen
Cannabis wirkt gegen Schmerzen, weil es unter anderem mit dem Endocannabinoid-System – einem Teil des menschlichen Nervensystems – interagiert.
Wirkung von Cannabis gegen Schmerzen
Die Wirkung von Cannabis geht vor allem von den in den Cannabisblüten vorkommenden pharmakologisch aktiven Cannabinoiden aus. CBD werden dabei die meisten Effekte auf den menschlichen Körper zugeschrieben, THC wiederum die stärksten. Viele wahrscheinliche Wirkungen der zahlreichen Cannabinoide sind jedoch noch nicht ausreichend erforscht.
Fest steht, dass Cannabis die beiden körpereigenen endogenen Cannabinoid-Rezeptoren (CB1 und CB2) aktiviert. Die wiederum hemmen die Freisetzung von Neurotransmittern aus den präsynaptischen Nervenzellen und beeinflussen so das zentrale Nervensystem. In Regionen, die für Schmerzempfinden, Motorik aber auch Lernen zuständig sind, findet sich vor allem CB1. Im Immunsystem und den Lymphozyten hingegen hauptsächlich CB2. Das erklärt die Wirkung von Cannabis gegen Schmerzen und Entzündungen.
Medizinisches THC-Cannabis vs. reines CBD
Mit medizinischem Cannabis sind in der Regel die getrockneten Cannabisblüten von Hanfpflanzen gemeint, die streng kontrolliert speziell zu medizinischen Zwecken angebaut werden. Für Patienten, die Cannabis gegen Schmerzen konsumieren, hat das wesentliche Vorteile: Sie erhalten geprüfte Qualität und einen möglichst konstanten Wirkstoffgehalt über den kompletten Behandlungszeitraum.
Die Blüten enthalten eine große Anzahl an Cannabinoiden und weiteren pharmakologisch wirksamen Bestandteilen wie Terpene und Flavonoide. Eines der enthaltenen Cannabinoide ist CBD. Dieser Wirkstoff kann mittels verschiedener Verfahren aus der Cannabispflanze extrahiert werden, um in Reinform vorzuliegen.
CBD-Extrakte dienen unter anderem der Herstellung von reinen CBD-Ölen. Im Gegensatz zu reinen CBD-Ölen enthalten Vollspektrum- oder Breitspektrum-Öle weitere Bestandteile der Cannabispflanze.
Im Kontext medizinisches Cannabis vs. CBD spielt der Entourage-Effekt eine wichtige Rolle. Dieser besagt, dass die verschiedenen Inhaltsstoffe von Hanfpflanzen zusammen eine stärkere Wirkung haben als die Summe der Wirkungen der einzelnen Inhaltsstoffe. Es wird angenommen, dass der Entourage-Effekt die Wirksamkeit von Cannabis gegen Schmerzen erhöht und möglicherweise auch das Risiko von unerwünschten Nebenwirkungen reduziert. Gleichzeitig gilt speziell der Wirkstoff CBD als besonders verträglich und selbst in hohen Dosierungen als nebenwirkungsarm. Das könnte für die Einnahme reiner CBD-Präparate anstatt von medizinischem Cannabis gegen Schmerzen sprechen.
Experten-Meinung vom Cannabis-Arzt
Die Auswahl des richtigen Cannabis-Medikaments richtet sich nach den Zielsymptomen und der individuellen Erfahrung des Patienten. Cannabis-Arzt Dr. Franjo Grotenhermen kennt sich mit dem Potenzial von Cannabis gegen Schmerzen aus. Er erklärt in seiner Publikation „Cannabis. Verordnungshilfe für Ärzte“ zur Auswahl des geeigneten cannabisbasierten Medikaments:
Je nach Zusammensetzung der Cannabinoide und Terpene der Pflanze, die sich in ihrer Gesamtwirkung gegenseitig beeinflussen, ergeben sich unterschiedliche Wirkweisen. Diese Unterschiede können bei einigen Indikationen von Bedeutung sein. So hemmt CBD einige THC-Wirkungen, darunter insbesondere die Appetitsteigerung, sodass bei Anorexie am ehesten CBD-arme bzw. -freie Medikamente eingesetzt werden sollten. Andererseits kann eine CBD-haltige Zubereitung bei chronischen Entzündungen, Angststörungen sowie Übelkeit und Erbrechen sinnvoll sein, da CBD antiinflammatorische [entzündungshemmend], anxiolytsche [angstlösend] und antiemetische [Übelkeit und Erbrechen unterdrückend] Eigenschaften besitzt.
Dr. Franjo Grotenhermen
Diese Überlegungen gelten grundsätzlich im Zusammenhang mit der medizinischen Verwendung von Cannabis und somit natürlich auch, wenn Cannabis gegen Schmerzen zum Einsatz kommt.
Medizinische Indikationen für Cannabis
Cannabis gegen Schmerzen ist eine Einsatzmöglichkeit in der Medizin. Daneben gibt es weitere medizinische Indikationen für eine Cannabistherapie. Etablierte Indikationen für Cannabismedizin sind:
- Appetitlosigkeit und Kachexie bei Krebs– oder HIV / Aids-Patienten
- Dravet-Syndrom
- Lennox-Gastaut-Syndrom
- neuropathische und chronische Schmerzen
- tuberöse Sklerose
- Übelkeit und Erbrechen für cannabisbasierte Medikamente
Weitere mögliche Indikationen, zu denen aber erst eine geringe Anzahl kontrollierter Studien vorliegt, sind:
- ADHS
- Angststörungen
- COPD (chronisch-obstruktive Lungenerkrankung)
- Depressionen
- Dystonie / Dyskinesie (Bewegungsstörungen)
- Entzündungen
- Glaukom
- Harnblasendysfunktion bei multipler Sklerose (MS)
- Morbus Crohn
- Morbus Parkinson
- Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
- Querschnittslähmung
- Reizdarm
- schizophrene Psychosen
- Schlafstörungen
- Tourette-Syndrom
- Tremor
Laut einer Erhebung vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) wird Cannabismedizin gegen Schmerzen am häufigsten und erfolgreichsten eingesetzt. Von den teilnehmenden Ärzten, die Cannabinoide verschrieben hatten, haben 56 Prozent die Zusatzqualifikation „spezielle Schmerztherapie“.
Auffallend ist, dass sich je nach Fachrichtung Schwerpunkte bei der Arzneiwahl herauskristallisiert haben: Anästhesisten haben vor allem Dronabinol (reines THC) verschrieben. Allgemeinmediziner (Hausärzte) haben besonders häufig ein Cannabis-Rezept für medizinische Cannabisblüten ausgestellt und Neurologen für das Cannabis-Mundspray Sativex.
Auch die Forschungsergebnisse einer Gruppe um den Neurobiologen Tibor Harkany von der Medizinischen Universität Wien gehen in diese Richtung. Harkany hält Cannabinoid-basierte Medikamente gerade für die Schmerztherapie und bei Epilepsie nicht nur wie üblich als Begleittherapie, sondern als primäre Therapieform für sinnvoll und viele weitere medizinische Indikationen für denkbar.
Cannabis-Nebenwirkungen
Cannabis hat viele medizinisch wertvolle Eigenschaften und damit einhergehend auch Nebenwirkungen. In der Veröffentlichung „Cannabis. Verordnungshilfe für Ärzte“ schreiben die Autoren dazu:
Cannabis wirkt nicht spezifisch. Die in dem einen Fall erwünschte Wirkung kann in dem anderen Fall unerwünscht sein, wie beispielsweise Sedierung, Steigerung des Appetits und Relaxierung der Muskulatur. Vor allem in Fällen, in denen nur durch vergleichsweise hohe Dosen der gewünschte Effekt erzielt werden kann, muss erst durch Ausprobieren ein individuell annehmbarer Kompromiss zwischen unerwünschten und erwünschten Wirkungen gesucht werden. […] Akute Nabenwirkungen betreffen vor allem die Psyche und Psychomotorik (Euphorie, Angst, Müdigkeit, reduzierte psychomotorische Leistungsfähigkeit) sowie Herz und Kreislauf (Tachykardie, Blutdruckabfall, Schwindel, Synkope). Cannabis wird langfristig im Allgemeinen gut vertragen.
Dr. Klaus Häußermann und Dr. Franjo Grotenhermen
Zu beachten ist auch, dass nur bei Konsum von medizinischem Cannabis ein standardisierter THC- und CBD-Gehalt gewährleistet ist. Wer beispielsweise Cannabis-Samen einer bestimmten Sorte selbst anbaut, muss sich darüber im Klaren sein, dass sich die Konzentration der Inhaltsstoffe in seiner Pflanze aufgrund der individuellen Anbaubedingungen ggf. deutlich von den Werten unterscheidet, die gemeinhein für das Kultivar kommuniziert werden.
Dieser Artikel beinhaltet lediglich allgemeine Informationen zu einem Gesundheitsthema und dient somit nicht der Selbstdiagnose, -behandlung oder -medikation. Er ersetzt keinesfalls einen Arztbesuch. Individuelle Fragen zu Krankheitsbildern dürfen unsere Redakteure nicht beantworten.
IV. Bildquellen zum Ratgeber: „Cannabis gegen Schmerzen“
Beitragsbild: iStock.com/Esther Kelleter, Foto 1: iStock.com/Yuri_Arcurs, Foto 2: iStock.com/eternalcreative, Foto 3: iStock.com/magicmine, Foto 4: iStock.com/LightFieldStudios, Foto 5: ©Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Foto 6: ©S. Hirzel Verlag GmbH, Foto 7: ©Bundesanzeiger Verlag GmbH, Foto 8: iStock.com/skynesher, Foto 9: iStock.com/pressdigital, Foto 10: iStock.com/narong niamfoi, Foto 11: ©Almirall, Foto 12: ©PharmaSGP GmbH, Foto 13: iStock.com/mixetto
Disclaimer
Die Inhalte der Zencan-Artikel werden mit größtmöglicher Sorgfalt recherchiert und umgesetzt. Wir bemühen uns, die Informationen aktuell, inhaltlich korrekt und vollständig anzubieten. Dennoch ist das Auftreten etwaiger Fehler nicht auszuschließen. Eine Haftung für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität kann daher trotz sorgfältiger Prüfung nicht übernommen werden. zencan übernimmt insbesondere keinerlei Haftung für eventuelle Schäden oder Konsequenzen, die durch die direkte oder indirekte Nutzung der angebotenen Inhalte entstehen. Hinweise und Korrekturen nehmen wir gerne entgegen; mailen Sie an redaktion@zencan.de.